Einladung des Literaturhauses Köln Lesung am 26. September 2005
Gedichte von Annemarie Schnitt irische Musik von Conny Schnitt
Fotografien von Berni Patten
Liebe Freunde des Literaturhauses:
Es gehört zu den Merk-Würdigkeiten der Literatur, dass Dichter zahlreichen
Lesern "Lebenshilfe" spenden und "dass man sich immer wieder
ihrer Werke bedient, um sich aus eigenen Wirren und Verwirrungen
herauszuarbeiten". Diese Beobachtung des Literaturwissenschaftlers
Richard Exner lässt sich auf die Gedichte von Annemarie Schnitt übertragen,
die wir Ihnen heute Abend im Literaturhaus vorstellen möchten.
"Mir ist die Lächerlichkeit, Gedichte zu schreiben lieber als die
Lächerlichkeit, keine zu schreiben." Dieser Vers der polnischen
Nobelpreisträgerin Wislawa Simborska ist für die 1925 in Tungkun (Süd-China)
geborene Annemarie Schnitt Ansporn und Herausforderung zugleich. In ihren
Gedichten und Prosaskizzen versteht sie das Schreiben als "Fliegen /
deutlicher Dinge deuten / aus der Distanz". In ihren Gedichtzyklen
finden sich sowohl poetische Betrachtungen über die Veränderung der Natur im
Ablauf des Jahres wie auch Annährungen an große literarische Vorbilder wie
Rose Ausländer und Else Lasker-Schüler.
Die Lesung von Annemarie Schnitt, die um 20.00 im Literaturhaus beginnt, wird
begleitet von irischer Geigenmusik, gespielt von Annemarie Schnitts Tochter
Conny sowie illustrierenden Fotos zu einzelnen Texten.
Wir würden uns freuen, Sie zu einem sicher stimmungsvollen Abend im
Literaturhaus begrüßen zu dürfen.
Bettina Fischer - Thomas Böhm
Musik von Conny Schnitt - Fotografie von Bernie Patten
Wozu schreiben?
Gedanken festzuhalten
im Vers
eh sie verfliegen
Farben aufzufangen
in Metaphern
eh sie verblassen
Liebe zu beschwören
im Wort
eh sie verweht
Leben fortzudenken
in Reimen
eh es verdunkelt
Guten Abend!
Ich begrüße Sie und Euch Freunde zu dieser kleinen Lesung, zu der ich
freundlich überredet wurde! Heute freue ich mich und bedanke mich für diese
Einladung! Nun sitze ich hier und frage mich wieder einmal neu: Wozu
schreiben?
Wozu Gedichte schreiben, Worte in Rhythmus und Versmaß bringen?
Mir fallen da ein paar Zeilen der polnischen Lyrikerin und Nobelpreisträgerin
Wislawa Simborska ein, die sagt:
Mir ist die Lächerlichkeit, Gedichte zu schreiben lieber als die
Lächerlichkeit, keine zu schreiben.
Poesie grenzt an Magie. Sie verzaubert, sie entführt,das zweite Ich zu
entdecken. In Gedichten kommt es zu einer Verschmelzung von Denkbarem und
Fühlbarem. Du tauchst ab, gerätst ins Schweben, in einen Zustand der Distanz,
der deinem inneren Auge die Welt neu erschließt. Es gibt Steine, aus denen du
Feuer schlagen kannst. Poesie, glaube ich, ist solch ein Stein.
Das Gedicht … so Oktavio Paz, fordert die Abschaffung des Dichters, der es
schreibt, und die Geburt des Dichters, der es liest, (der es hört). In diesem
Sinne möchte ich beginnen - zum Anfang mit einem Gedicht, mit dem mein Enkel
bei einer Geburtstagslesung vor drei Jahren den Auftakt machte:
Schritte durch ein Jahr
Der eine kriecht-
der andere schreitet-
einer wankt-
ein nächster gleitet-
der fünfte trippelt-
der sechste stelzt-
ein siebter
durch die Welt sich wälzt-
der achte fliegt ganz
federleicht vondannen
bedenke dies und sag dir leise:
ein jeder Mensch auf seine Weise
kommt schließlich doch zum Ziel der Reise
Wandel der Jahreszeiten
immer ein Stück
sich selbst voraus sein
auf den Wegen voran
Wandlungen begegnen
wie Freunden
Veränderungen begrüßen
wie den Wandel der Jahreszeiten
dem Rhythmus
dem Kreis nachspüren
dem Lauf der Flüsse ins Meer
Frühling
ein Ahnen
wie Vorfreude auf Neues
aufgetaut dein Winterherz
wie es vibriert
in weicher Luft
warm durchpulst
vom Glück des Kommenden
Ein neues Lied
so viele Lenze
und wieder Saft
in den Zweigen
den Taktstock
des Frühlings
leih ich mir
für ein neues Lied
Frühling
nah am Tor
noch entblättert
die Trauerbirke
zurückgedrängte Kraft
in zitternden Zweigen
zurückgedrängtes Feuer
im stummen Stamm
es wird ein Gesang
besiegen den Frost
es wird ein Gestirn
entfachen ein Feuer
in Stamm und Geäst
es wird ein Frühling
vertreiben die Trauer
Im Mai
abgeholt von der Sonne
zum Lauf in den Tag
leicht und sicher
an ihrer warmen Hand
unter ihrem Blick
singen die Vögel in dir
die wintertasgs verstummten
Verblasstes blüht auf
Verdunkeltes lichtet sich
Lautes wird leise
Unstimmiges stimmig
für einen Tag Hand-in-Hand
mit der Sonne im Mai
Sommer
den Sommer
anwachsen lassen
über der Stirn
was brach liegt
zum Blühen bringen
in neuem Licht
vielleicht möcht
ein einziges Wort
auferstehen
zum Leben
unter dem Himmel
dem einzigen
Noch ist Sommertag
und offen der Himmel
die Luft voller Samen
und süßem Duft
in den Feldern der Mohn
in den Gärten Margriten
am Steilhang
zwischen Moos
mein kleines Gedicht
noch ist Sommertag
und offen der Himmel
es dreht sich der Drachen
lautlos im Wind
der Surfer spannt den Flügel
zum Flug über Fluten
am Spinnennetz spinnt
mein kleines Gedicht
noch ist Sommertag
und offen der Himmel
es atmet die Erde
ganz arglos im Traum
was tun wenn durch Menschen
Zerstörung einbricht
Taubenflügel wünsch ich
meinem kleinen Gedicht
Rosenzeit
zur Feier des Tages
eine Rose für dich
dass dein Lachen
sich unverloren verliert
in farbenberedte
Sprachlosigkeit
Den Sommer bannen
Den Sommer bannen
in einen letzten Augenblick der Wärme
ihn schmecken wie Glück
ihn speichern unter der Haut
als Vorrat gegen Fröste
Entfaltete Flügel
was bleibt von alledem
vom Gesang des Sommers
vom tete à tete mit dem Glück
von den Farben der Freundschaft
was bleibt von alledem
vom Tag-Traum und Nacht-Gespinst
von den Schüben des Schicksals
nichts bleibt
im Verbleiben am Fleck
alles bleibt in der Kraft
entfalteter Flügel
Etwas gegen den Wind setzen
etwas Helles gegen die Nacht
etwas Festes gegen den Schwindel
etwas Klingendes gegen die Leere
einen Traum gegen den Tag
eine Insel gegen den Lärm
eine Rose gegen den Winter
ein Tun gegen das Chaos
ein Gedicht gegen die Sprachlosigkeit
Gebete gegen den Stumpfsinn
etwas gegen den Wind setzen
Herbst
Nebelschwaden
über dem Strand
ich such im Windlicht
meinen Weg
hab noch Sand
in Hosentaschen
hab ein Lied
dass weiterträgt
Sonnenblume
ich möcht
mit deiner Sprache sprechen
ich möcht mit deinem Blühen blühn
ich möcht
mit deinem Lachen lächeln
ich möcht mit deiner Farbe färben
trüber Tage Nebelkleid
Nebeltag
Schritte im Nebel
von Schleiern umschlossen der Tag
kein Duchblick mehr kein Halt
auf leisen Füßen
schleichen sich Stunden voran
zu lösen aus Nebeln den Tag
Erntedank
als Dank
für die Geduld des Himmels
dass nicht aufhört Frost und Hitze
Sonne Wind und Regen
dass noch Zeit bleibt für bessere Früchte
auf der bedrohten Erde
Erntedank
als Dank
für die Fähigkeit
zu Einsicht und Umkehr
als Dank
für geschenktes Leben
das auf Ernte drängt
immer neu und voll Verheißung
Eisregen
als der Eisregen kam
floh ich unter ein Dach
schlug Feuer
aus meinen Gedanken
mit warmer Stirn
zu trotzen der Kälte
Freunde finden
ein Haus finden
zu wohnen
hinter Tausendklang
im Einklang
Freunde finden
zu zünden in
der Kälte
ein Feuer
Töne finden
zu singen
gegen die Leere
ein Lied
Wintermorgen
Schau
in Flocken löst der Himmel
sich lautlos auf
schneeweiße Schleier
umhüllen die Welt
das Wunder wohnt tief
unter den Träumen
Warte nicht
fang an
schau dich nicht um
fang an
schreib deine Schrift
in den Schnee
Schneetanz
Wenn wintertags
der Schneetanz beginnt
nimmt er dich mit
ins weiße Vergessen
kopfüber taumelst du
mit den Flocken ins Nichts
dich neu aufzuspüren
im Scheeweiß
Trau den Spuren
draußen im Schnee
den allerersten
die dich hinausführen
über das Glück des Anfangs
in das Glück des Gelingens
Bau dir ein Haus
bau dir ein Haus
fest für den Rücken
das dich stärkt
im aufrechten Gang
bau dir ein Haus
tragbar für die Tasche
das dich begleitet
quer durch die Zeit
bau dir ein Haus
verborgen im Herzen
das dich wärmt
im winterlichen Frost
bau dir ein Haus
hell hinter den Gedanken
das dir leuchtet
zu nächtlicher Stund
Musik
Weihnachten
Unser Weg in die Zukunft
Fußmarsch am Grat
Meter um Meter durch Nebel
wir schlagen ein Zelt auf
und hauchen Leben
warm gegen den Wind
bedenken die Stätten
die längst schon begangen sind
weit zurück
bis zur Hütte zum Kind
und wagen neu
gegen die Kälte zu gehen
Weihnachtswunsch
wach zu werden
wie die Weisen
hellhörig wie die Hirten
bewegt wie Josef
wissend wie Maria
Gefährten zu finden mit
Flügeln
Ich ahne
Menschenmögliches
zwischen Menschen
aller Rassen und Nationen
zwischen Menschen aller Generationen
zwischen Mann und Frau
ich ahne Menschenmögliches
im Unmöglichen
Menschenunmögliches als Mögliches
unter dem Zuruf des Himmels
Jahresabschied
im Dämmer
über hingeduckten Häusern
ein magerer Mond über dem Meer
am letzten Tag des Jahres
allein dem Menschen möglich
das Zugehen auf Zukunft
von Jahr zu Jahr
von Neumond zu Neumond
zu neuem Ziel
Neujahr
unter Wellenrauschen
in ein neues Jahr
wir flüchtigen Wesen
verrauschender Zeit
hingeworfen
ans nackte Ufer
festzuhalten den Tag
fortzuschreiben den Weg
Zum Abschluss der Lesung:
Verfügungen für 12 Monate
aufgefangen von Thiago de Mello
(ein brasilianischer Lyriker und Musiker)
Januar:
Es wird verfügt, dass Geld niemals die Sonne des kommenden Morgens kaufen
kann, und dass jeder Mensch sich an den Tisch setzen kann mit ungetrübtem
Blick...
Februar:
Es wird verfügt, dass jetzt die Wahrheit zählt, dass jetzt das Leben zählt,
und dass wir alle Hand in Hand
für das wahre Leben eintreten.
März:
Es wird verfügt, dass es jedem Menschen erlaubt ist, sich in jeder Stunde
seines Lebens weiß zu kleiden.
April:
Unwiderruflich wird die ewige Herrschaft der Gerechtigkeit und des Lichtes
ausgerufen!
Mai:
Es wird verfügt, dass alle Fenster den ganzen Tag dem Grünen geöffnet
bleiben, wo die Hoffnung wächst!
Juni:
Es wird verfügt, dass das tägliche Brot immer den warmen Geschmack der
Zärtlichkeit haben soll!
Juli:
Es wird verfügt, zu wissen, dass es das Wasser ist, das der Pflanze das Wunder
der Blume gibt!
August:
Es wird erlaubt sein, am Nachmittag mit einer riesengroßen Begonie im
Knopfloch spazieren zu gehen! Nur eines wird verboten sein:
zu lieben ohne Liebe.
September:
Es wird verfügt, daß von nun an in allen Fenstern Sonnenblumen stehen.
Oktober:
Es wird verfügt, dass der Mensch niemals mehr am Menschen zweifeln muß, dass
der Mensch dem Menschen vertrauen kann wie die Palme dem Wind!...
November:
Es wird verfügt, dass Menschen frei vom Joch der Lüge sind. Niemals wird es
nötig sein, sich zum Schutze in Schweigen zu hüllen!
Dezember:
Für ein Jahrtausend wird das von dem Propheten Jesaja erträumte Leben
festgesetzt: Der Wolf und das Lamm werden gemeinsam weiden, und die Nahrung
beider wird nach Morgenröte schmecken.
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Lesung 2001 Northeim
Ein Jahr im Spiegel von Gedichten
Lesung am 29.12.01
Schritte durch ein Jahr
der eine kriecht-
der andere schreitet-
einer wankt-
ein nächster gleitet-
der fünfte trippelt-
der sechste stelzt-
ein siebter
durch die Welt sich wälzt-
der achte fliegt ganz
federleicht vondannen
bedenke dies und sag dir leise:
ein jeder Mensch
auf seine Weise
kommt schließlich doch
zum Ziel der Reise
Wie Hügel
springen die Feste
aus der Landschaft des Lebens
hochgewehte Freude aus den Tiefen der Täler
du hältst den Atem an zwischen gestern und
morgen und deine Hände greifen nach Licht
und tragen es talwärts als Tuch
über die Tische der Trauer
Wintermorgen
Schau
in Flocken löst der Himmel
sich lautlos auf
Schneeschleier
umhüllen die Welt
das Wunder wohnt tief
unter den Träumen
Bilanz
du ziehst Bilanz
nimmst wahr
was gewesen
ziehst zusammen
was zerstreut
deutest Dinge
aus der Distanz
du ziehst Bilanz
suchst Klarheit
im Ungeklärten
malst Konturen
ins Schleierhafte
hältst Heilloses
hilflos in Händen
du wagst den Versuch
der Versuche
Unversöhntes
zu unterzeichnen
im Licht von Versöhnung
Psalm zur Jahreswende
Du - das Meer dahin die Flüsse fließen
Du - der Horizont dahin die Jahre ziehen
Du - der Abend dahin die Stunden fliehen
Du - der Morgen dahin die Träume drängen
von einer Welt in der Dein Gesicht
sich widerspiegelt im Gesicht des Menschen
Unterwegs
es gibt kein Zuhause
in Nischen
es treibt dich ein Sturm
heraus und voran
zu irren zwischen
Irrtum und Einsicht
zu suchen im Unterwegs
ein Zuhause
Frühling
nah am Tor
noch entblättert
die Trauerbirke
zurückgedrängte Kraft
in zitternden Zweigen
zurückgedrängtes Feuer
im stummen Stamm
es wird ein Gesang
besiegen den Frost
es wird ein Gestirn
entfachen ein Feuer
in Stamm und Geäst
es wird ein Frühling
vertreiben die Trauer
So viele Lenze
und wieder Saft
in den Zweigen
den Taktstock
des Frühlings
leih ich mir
für ein neues Lied
Ostern
Und plötzlich
wälzt dir ein Engel
den Stein von der Gottfinsterferne
Es wird Zeit
Wie lange wir schon stehen
am offenen Grab
voll Trauer voll Staunen
hinter dem Stein
es wird Zeit für uns
mit aufzubrechen
aus dem Tod ins Leben
Rosenzeit
zur Feier des Tages
eine Rose für dich
dass Freude
sich unverloren verliert
in farbenberedte
Sprachlosigkeit
Entfaltete Flügel
was bleibt von alledem
vom Gesang des Sommers
vom tete a tete des Glücks
von den Farben der Freundschaft
vom Tag-Traum und Nacht-Gespinst
von den Schüben des Schicksals
nichts bleibt im Verbleiben am Fleck
alles bleibt in der Kraft entfalteter Flügel
Jahresabschied
im
Dämmer
über hingeduckten Häusern
ein magerer Mond über dem Meer
am letzten
Tag des Jahres
allein dem Menschen möglich
das Zugehen auf Zukunft
von Jahr
zu Jahr
von Neumond zu Neumond
zu neuem Ziel
Eisregen
als
der Eisregen kam
floh ich unter ein Dach
schlug Feuer
aus meinen Gedanken
mit
warmer Stirn
zu trotzen der Kälte
Neujah
r
unter
Wellenrauschen
in ein neues Jahr
wir flüchtigen Wesen
verrauschender
Zeit
hingeworfen
ans nackte Ufer
festzuhalten den Tag
fortzuschreiben den
Weg
Bau dir ein Haus
bau dir ein Haus
fest für den
Rücken
das dich stärkt
im aufrechten Gang
bau dir ein Haus
tragbar für die
Tasche
das dich begleitet
quer durch die Zeit
bau dir ein Haus
verborgen im
Herzen
das dich wärmt
im winterlichen Frost
bau dir ein Haus
hell hinter den
Gedanken
das dir leuchtet
zu nächtlicher Stund
Frühlingstag
Und
wieder
der Vogel Mut
auf deiner Schulter
mit seinem jungen Lied
wo
wohnen
die guten Geister
die dir helfen
aufzustehen
Gestern
habe
ich kühn meine Kraft
dem Frühling versprochen
einen kargen
Boden
aufzukrusten
spatenstichtief
Träume einzusäen
unter der
Oberfläche
verhärteter Furchen
Himmelfahrt
Möcht den
Himmel gewinnen
wie Du ihn gewonnen
im Wagnis der Liebe
Morgen im Mai
du bist dabei
wenn der Morgen im Mai
mit dem ersten
Möwenschrei
geboren wird
du bist dabei
wenn der Morgen im Mai
so leichtfüßig
frei
am Horizont steht
du bist dabei
wenn der Morgen im Mai
so sorglos
frei
über die Erde zieht
Sommer
den Sommer
anwachsen
lassen
über der Stirn
was brach liegt
zum Blühen bringen
in neuem
Licht
vielleicht möcht
ein einziges Wort
auferstehen
zum Leben
unter dem Himmel
dem einzigen
Noch ist Sommertag
und offen der Himmel
die Luft voller Samen
und süßem Duft
in den
Feldern der Mohn
in den Gärten Margriten
am Steilhang
zwischen Moos
mein
kleines Gedicht
noch ist Sommertag
und offen der Himmel
es dreht sich der
Drachen
lautlos im Wind
d
er Surfer spannt den Flügel
zum Flug über Fluten
am
Spinnennetz spinnt
mein kleines Gedicht
noch ist Sommertag
und offen der
Himmel
es atmet die Erde
ganz arglos im Traum
was tun- wenn durch
Menschen
Zerstörung einbricht
schon wachsen Taubenflüg
meinem kleinen
Gedicht
2. Teil
Wandel der Jahreszeiten
immer ein Stück
sich selbst vorau sein
auf den Wegen voran
Wandlungen begegnen
wie Freunden
Veränderungen begrüßen
wie den Wandel der Jahreszeiten
dem Rhythmus
dem Kreis nachspüren
dem Lauf der Flüsse ins Meer
Der Sommer geht hin
nichts ist mehr zu halten
der Sommer geht hin
Wolken schwärzen den Himmel
der Wein an den Wänden vergilbt
was unter der Sonne wuchs
hat ein Sturm zerrissen
hinter den Türen lauert der Frost
Gedanken schrumpfen zu Chips
warme Worte sind nicht mehr vorrätig
es bleibt dir der Regenbogen dich festzuhalten
Etwas gegen den Wind setzen
etwas Helles gegen die Nacht
etwas Festes gegen den Schwindel
etwas Klingendes gegen doie Leere
einen Traum gegen den Tag
eine Insel gegen den Lärm
einer Rose gegen den Winter
ein Tun gegen das Chaos
ein Gedicht gegen dioe Sprachlosigkeit
Gebete gegen den Stumpfsinn
etwas gegen den Wind setzen
Herbst
Nebelschwaden
über der Welt
ich such im Windlicht
meinen Weg
hab noch Sand
in Hosentaschen
hab ein Lied
das weiterträgt
Freunde finden
ein Haus finden
zu wohnen
hinter Tausendklang
im Einklang
Freunde finden
zu zünden in
der Kälte
ein Feuer
Töne finden
zu singen
gegen die Leere
ein Lied
Sonnenblume
ich möcht
mit deiner Sprache sprechen
ich möcht
mit deinem Blühen blühn
ich möcht
mit deinem Lachen lächeln
ich möcht
mit deiner Farbe färben
trüber Tage Nebelkleid
Erntedank
als Dank für die Geduld des Himmels
daß nicht aufhört Frost und Hitze
Sonne Wind und Regen
daß noch Zeit bleibt für bessere Früchte
auf der bedrohten Erde
Erntedank
als Dank für die Fähigkeit
zu Einsicht und Umkehr
als Dank für geschenktes Leben
das auf Ernte drängt
immer neu und voll Verheißung
Das Unfassbare
es wächst die Trauer
über das unfassbar Mögliche
über Menschenwerke
monströser Vernichtung
rund um die Erde
es wächst die Fantasie der Furchtlosen
die Solidarität der Träumer
die Freundschaft der Friedfertigen
des Bruders Hüter zu sein
rund um die Erde
Ich ahne
Menschenmögliches
zwischen Menschen aller Rassen und Nationen zwischen Menschen aller Generationen
zwischen Mann und Frau
Ich ahne Menschenmögliches
im Unmöglichen
Menschenunmögliches als Mögliches
unter dem Zuruf des Himmels
Weihnachten
Unser Weg in die Zukunft
Fußmarsch am Grat
Meter um Meter durch Nebel
wir schlagen ein Zelt auf
und hauchen Leben
warm gegen den Wind
bedenken die Stätten
die längst schon begangen sind
weit zurück bis zur Hütte zum Kind
und wagen neu gegen die Kälte zu gehen
Weihnachtswunsch
wach zu bleiben
wie die Weisen
hellhörig wie die Hirten
bewegt wie Josef
wissend wie Maria
Gefährten zu finden mit Flügeln
Abschied von Weihnachten:
vorbei der Traum
der Baum steht müde
mitten in dem Raum
zu Tränen werden Kugeln
gläserngroße Tropfen
Lamettasträhnen
hängen wirr umher
und die Sterne rund
um abgebrannte Kerzen
haben keine Leuchtkraft mehr
vorbei der Traum
wir räumen den Baum
träumen wieder und wieder
den Weihnachts - Traum
Verfügungen für 12 Monate
angelehnt an Thiago de Mello
Januar:
Es wird verfügt, dass Geld niemals die Sonne des kommenden Morgens kaufen kann, und dass jeder Mensch sich an den Tisch setzen kann mit ungetrübtem Blick...
Februar:
Es wird verfügt, dass jetzt die Wahrheit zählt, dass jetzt das Leben zählt, und dass wir alle Hand in Hand
für das wahre Leben eintreten.
März:
Es wird verfügt, dass es jedem Menschen erlaubt ist, sich in jeder Stunde seines Lebens weiß zu kleiden.
April:
Unwiderruflich wird die ewige Herrschaft der Gerechtigkeit und des Lichtes ausgerufen!
Mai:
Es wird verfügt, dass alle Fenster den ganzen Tag dem Grünen geöffnet bleiben, wo die Hoffnung wächst!
Juni:
Es wird verfügt, dass das tägliche Brot immer den warmen Geschmack der Zärtlichkeit haben soll!
Juli:
Es wird verfügt, zu wissen, dass es das Wasser ist, das der Pflanze das Wunder der Blume gibt!
August:
Es wird erlaubt sein, am Nachmittag mit einer riesengroßen Begonie im Knopfloch spazieren zu gehen! Nur eines wird verboten sein:
zu lieben ohne Liebe.
September:
Es wird verfügt, daß von nun an in allen Fenstern Sonnenblumen stehen.
Oktober:
Es wird verfügt, dass der Mensch niemals mehr am Menschen zweifeln muß, dass der Mensch dem Menschen vertrauen kann wie die Palme dem Wind!...
November:
Es wird verfügt, dass Menschen frei vom Joch der Lüge sind. Niemals wird es nötig sein, sich zum Schutze in Schweigen zu hüllen!
Dezember:
Für ein Jahrtausend wird das von dem Propheten Jesaja erträumte Leben festgesetzt: Der Wolf und das Lamm werden gemeinsam weiden, und die Nahrung beider wird nach Morgenröte schmecken.